Poesie

Ausgesprochen

das geschreibe zerissen. das gespräch verjagt.
die letzten überlebenden worte fliehen klettern zwischen die zeilen, sich angstvoll verkriechend in dunklen hohlräumen.
ihrer satzhülsen entkleidet, liegen sie bloß und nackt, drängen sich haltsuchend aneinander, sehen sich fragend an, erkennen ihre innere leere und warten auf das ewige vergessen

schrei nach dem sinn – unerhörte stille.
schrei nach der wahrheit – wahrheit wahrheit
doch da – ein einziges wort steht mutig auf
bahnt sich strahlend brennend raum –
ein einziges wort – wieder und wieder missbraucht. verbraucht.
wird es jetzt auch zu schall und rauch
zu asche zu staub
…?

September 2014

 

menschen

auf den glatten stadtstraßen mit ihren wortgewandten plakaten menschen sie sich

stumm hintereinander herlaufend wie auf einem endlosen fließband und

schauen aneinander vorbei.

der stille himmel schaut zu und denkt sich nichts

alltagsgrau die mienen steinhart ungebrochen schweigend

es gibt auch nichts zu sagen

denn niemand hat etwas zu erzählen

und keiner hört dem anderen zu.

2008/2016

 

spielen

leben spielen masken tragen – existenz im portemonnaie

ein dasein im gläsernen palast in einem märchen aus seelenlosem traum

auf bürgerlich sauberen straßen verwirkliche ich mich täglich selbst

im klar definierten alltagsraum

leere hohle kameraugen folgen richten mich – längst verbrüdert

fester glaube an mich – das wer ich eingehaucht von führenden marionetten

bin ich sprachrohr geschminkter worte – mundtot gekauft

immer freundliche freizeitindustrie produziert dirigiert

lebensentwürfe im überfluss für jedermann

tausch von blasser idendität gegen kunterbunte massenware

eingekauft im sonderangebot fällt keiner aus der rolle beim gesellschaftsspiel

durchleuchtung statt erleuchtung als gewinnbringendes ziel

die gedanken sind frei lese sehe höre ich

verkleidete worte auf dünnhäutiger information

diese mutter der nation stillt uns taub blind

und stirbt am ende an der wohlstandskrankheit

in schöner neuer welt proben wir das virtuelle nichtstun

wände katastrophen mauern masken tragödien fassaden

ziehen gedanken verloren vorbei an leeren hohlen augen die folgen unerkannt

brüche risse im miteinander mit einander gleicher faltenloser miene kaschiert restauriert repariert

masken tragen leben inszeniert um scheine zu wahren

das publikum: ein gleichgültiges wir

einander aus der ferne betrachtend schalten wir uns ein und aus.

gefilmt durchleuchtet identifiziert – doch nie durchschaut verlass ich jetzt das hier

und folge dem was hinter der kulisse ist – auf dass ich mich darin verlier

denn jeder hat zwei leben.

August 2007/ Änderungen 2014 und 2015

 

Bearbeiteter Auszug aus „Das Reich der Musik“

Still, leise traumtrunken erwachte in ihr ein Summen, wuchs Ton für Ton aus schattendunklen Tiefen hervor und glühte zart. Zauberspielerisch bahnten die Töne sich Raum, berührten, rieselten als sanfte lichterne Laute sich wandelnd zu Klangregen, ihrer Seele Saiten überströmend. Eine daraus ertönende, leuchtende klangfarbene Sinfonie spiegelte ihr alles was war und was sein wird. Ungeahntes hörte sie, badete, ertrank fast im sich lautenden Rauschen der Melodien. Es eröffneten sich ihr Klangmeere, umflossen sie verheißungsvoll glitzernd. Und dann begann sie zu singen, ihren innersten ineinander fließenden Kräften hingegeben. Wie geschmeidiges hell tönendes Gold durchdrang ihr Gesang die dunkle Allnacht. Alles um sie herum, alles an ihr und in ihr war grenzenlose Musik, sie strahlte warm und hellgolden wie der erste aufwärts strebende, sich rundende Stern. Das All erbebte und die Zeit versickerte ungehört in tosender Ewigkeit …“

2008/2016